TRANSMITTER-X.ORG [18.05. 2006]

hallo!

wir haben aus verschiedenen gründen längere zeit hier nicht hineingelesen, jetzt tun wirs und merken: da ist der wahnsinn endgültig ausgebrochen.

zahlreiche vernünftige leute, unter ihnen viele produzierende künstler, haben sich aus der diskussion verabschiedet und der rest streitet sich mit wenigen ausnahmen um kleinkariertes und diskutiert ein system im detail, als ob es an sich schon beschlossene sache wäre.
da das zum glück noch nicht der fall ist, bringen wir uns mit einem katalog ein, der keinen anspruch auf vollständigkeit erhebt und auch nicht bis in die letzte konsequenz durchkonstruiert ist, sondern fragmente auflistet, die wir für zwingend notwendig oder absolut verboten halten.

spiel vs. geheime abstimmung:
um das ewige gestrampel 'spiel oder nicht spiel' endlich abzubrechen, schlagen wir vor, was franz xaver *) schon einmal angedacht hat, dass nämlich bei einreichung jeder bestimmt, ob er sein kapital verzocken will oder sein projekt zur geheimen abstimmung einreicht. nach den danach ermittelten prozentanteilen wird der topf auf die beiden systeme verteilt und die zocker, falls es noch welche gibt, können sich in ihre busse oder sonst wohin zurückziehen, jedenfalls auf eine eigene liste bitte, und um ihren anteil zocken wie sie wollen.

aus 70 mach 100:
community vs. jury:
diesen gegensatz gibts nicht; die community ist bereits die ganze zeit eine jury und zwar eine, die wir uns von keiner öffentlichen stelle mehr gefallen lassen würden, weil sie sich nämlich jahrelang aus so gut wie denselben leuten zusammensetzt und damit bestehende macht- und interessenverhältnisse langfristig betoniert. da wir hier nicht teil einer rtl-quotenumfrage sind, ist ein reines mehrheitssystem schlicht ein absolut abzulehnendes weil diktatorisches: die zur zeit vielleicht noch fiktiven vertreter der wirtshauskultur mit 70% quote werden trotz aller gemeinsamkeiten den vetretern der fußballkultur mit 30% anteil [die zuvor sinnloserweise die 1% rollerblader niedergetögelt haben] niemals irgendwas zuteilen und sind daher zu 100% subventionsberechtigt. ein solches system fördert nicht kulturelle kreativität, sondern ausschließlich ellbogen-geschäftstüchtigkeit und schlitzohrigkeit und sollte sich in richtung subventionstopf der wirtschaftskammer verabschieden.
daher:
1.
jemand, und sei es die stadt wien, muss klar und deutlich definieren, für welchen kunst/kulturbereich der topf, von dem wir hier reden, gedacht ist, denn es geht hier nicht um irgendwelche privatmeinungen, sondern um die situation de jure.
2.
es muss einmal (und dann laufend) erfasst werden, welche richtungen/sparten es im diesem gesamtspektrum gibt.
schon dabei muss augenmerk darauf gerichtet werden, dass später ein gesundes verhältnis von förderung produzierender künstler einerseits und förderung von projekten, die auf produzierte kunst aufsetzen - wie kunsttheroretische/-analytische, interpretierende, vermittlungs- und veranstaltungskonzepte - andererseits gewährleistet ist. ein gesundes verhältnis wäre 75% für die schaffung von kunst und der rest für verwertung und vermittlung.
die gründe für dieses anzupeilende verhältnis sind sattsam bekannt und werden daher erst unten **) aufgelistet.

die jury:
die jedes mal ermittelten sparten sind ungeachtet der anzahl ihrer mitglieder gleichrangig, daher entsendet jede sparte 3 vertreter in die jury. 2 davon sind stimmberechtigt, einer schaut mit einspruchsrecht allen anderen auf die finger.

die mitglieder der jury und die gruppen, deren mitglied sie sind, sind für die aktuelle subventionsperiode gesperrt und werden daher sinnvollerweise aus leuten bestehen, die wegen bereits erhaltener subventionen ohnehin eine noch zu bestimmende anzahl von jahren gesperrt sind, denn es ist völlig klar, dass es bei den knappen kulturbudgets nicht sein kann, dass ein und dieselben personen(gruppen), egal ob mit oder ohne tricks, mehrmals hintereinander geld bekommen.

die mitglieder der jury verpflichten sich zu absoluter verschwiegenheit über die eingereichten projekte, denn die bedenken mancher hier bezüglich eigentumsrecht an konzepten sind mehr als berechtigt.

wäre dieses system eine unzulässige bevorzugung der minderheit, die fast immer die innovativere gruppe ist?
wenn jemand zun sehr mit dem strom schwimmt und sich in einer gruppe mit hoher mitgliederanzahl und daher verminderten persönlichen aussichten wiederfindet, tröstet ihn der potenziell kreativitätsfördernde umstand, dass er sich jederzeit fürs nächste mal was eigenständigeres einfallen lassen kann, bzw. dass es einer sparte mit kleiner mitgliederanzahl ja geschehen kann, dass die ganze sparte nach subventionserhalt für längere zeit gesperrt ist, wenn keine neuen personen dazustoßen.

aufteilung:
da wir kein belohnungs- bestrafungs- oder benotungssystem haben wollen, ist die höhe der subvention für alle gleich.
jetzt noch ein aufruf an die künstlerkollegen: beteiligt euch in irgendeiner form an der diskussion; wenn wir uns das budget ganz aus der hand nehmen lassen, haben wirs nicht besser verdient.

GRAF+ZYX



*) übrigens: fx kann sich selbst verteidigen und braucht unsere hilfe nicht, kriegt sie aber trotzdem; der lebt wirklich schon wesentlich länger als sechseinhalb jahre im 21., dem jahrhundert der demokratiekritik, und der versuch, ihm das 19. zu unterstellen ist mehr als lächerlich.

**) kunstproduktion 75%, nachverdauung 25%:

u.a.
1.
weil künstler nach kurzer umstellung ihre produkte sehr wohl selbst vermarkten und vermitteln könnten, vermarkter, kuratoren, journalisten und vermittler ohne kunst aber ziemlich nackt dastehen würden,
2.
weil künstler fast immer auf eigenes risiko produzieren und finanzieren und wenn sie 'faire' partner haben höchstens (aber fast nie) die hälfte des tatsächlichen verkaufsumsatzes erhalten, diese partner sich aber an der produktion der verkauften (schon gar der nicht
verkauften) ware nicht beteiligt haben und
3.
weil vermittler und vermarkter gern gleichberechtigt in alle kunsttöpfe greifen wollen, aber über andere, ihnen, aber nicht den künstlern zur verfügung stehende quellen nicht so gerne reden: die theoretiker und vermittler über die wissenschaftsförderung und die veranstalter und galeristen über die förderung z.b. von messebeteiligungen u.ä. durch die wirtschaftskammer.
und dass
4.
private sponsoren lieber veranstaltungen mit eventcharakter und schnellem werbeeffekt fördern als künstler, die ihre arbeit erst produzieren und dann in die öffentlichkeit bringen müssen, bevor ein werbeeffekt nachweisbar und damit steuerlich wirksam wird, ist den meisten bekannt und auch verständlich, muss aber in der öffentlichen kulturförderung berücksichtigt werden.

wir sind für die aufgaben- und erlösteilung im kulturbetrieb, nur die derzeit gängigen regeln sind immer weniger akzeptabel und letztlich tödlich für künstler und damit für alles, was sich mit recht kultur nennt.